Gratis! Bei den Banken wirkt gratis anders
- David J. Strebel
- 17. Jan. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. Jan. 2024
Yuh hat’s, Neon, die Zuger KB, Saxo, ZKB, auch andere haben es: das Gratis!-Angebot für Konto und Debit-Karte. Weitere Banken werden folgen und das Basisangebot kostenlos gestalten. Der Druck erhöht sich mit jeder weiteren Follower-Bank. Aber was bringt's?

Gratis ist magisch
Eine repräsentative Umfrage der Hochschule Luzern im letzten Jahr zeigte, dass die wenigsten Kunden die Preise ihrer Bank kennen – ausser, das Angebot ist gratis(1). Der Preis von null Franken ist nicht einfach die tiefste Variante eines Preises. Gratis! hat eine ganz besondere Wirkung auf die Menschen, wie Dan Ariely in seinem Buch «Predictably irrational» (2) mit vielen Experimenten zeigt. Obwohl die Senkung grösser ist, löst eine Preisreduktion von 20 auf 10 weniger Emotionen aus als der Wechsel von 5 auf Null. Gratis! ist in der menschlichen Psyche so attraktiv, weil es keine Verlustängste hervorruft und Dilemmas vermeidet. Umgekehrt geht auch: als die Plastik-Tragetaschen ("Raschelsäckli") ab 2020 am Ladentisch plötzlich 5 Rappen kosteten, ging der Verbrauch um 86 Prozent zurück. Obwohl fünf Rappen bei einem Einkauf nun wirklich nicht ins Gewicht fallen.
Gratis ist dann besonders anziehend, wenn man das Produkt ohne besondere Anstrengung erhält - ein Geschenk sozusagen. Aber auch Anstrengung ist relativ: eine Autofahrt zum Beispiel scheint bei vielen Menschen weder anstrengend, noch mit Kosten verbunden zu sein. So locken Gratis!-Angebote oft Interessenten auch über weite Distanzen an. Oder Museen sind voll, wenn sie Gratis-Aktionen durchführen, obwohl man wegen des Besucherandrangs ausgerechnet dann am wenigsten mitbekommt.
Aber wirkt Gratis! auch bei Bankkonten? Eröffnen Menschen eine neue Bankbeziehung oder wechseln sie gar die Bank, weil das Angebot woanders gratis ist?
Bankkunden: Gratis ist zu teuer, um zu wechseln
Auf den ersten Blick scheint der Anfangserfolg vieler Neobanken mit Gratisangebot die Attraktivität zu bestätigen. Mittlerweile weiss man, dass das Konto bei der Neobank meistens nur eine Zweit- oder Drittbeziehung darstellt und selten die Hauptbankbeziehung ist. Man optimiert die Optionen, nicht unbedingt die Kosten(3).
Die eingangs erwähnte Umfrage der HSLU zeigte erstaunliche Elastizitäten auf, als die Wechselbereitschaft bei konkreten Zinsvorteilen abgefragt wurde. Die vermeintliche Elastizität steht in krassem Gegensatz zum tatsächlichen Verhalten der Bankkunden, wo weder Preis- noch Zinsdifferenzen zu spürbaren Verschiebungen von Kundengeldern zwischen den Banken führen. Natürlich freuen sich jene Kunden, welche automatisch von einem kostenpflichtigen Paket in ein Gratis!-Angebot überführt werden (wenn sie es überhaupt bemerken!). Aber werden jetzt viele Kunden von der UBS zur ZKB wechseln, weil Konto und Karte dort nichts mehr kosten? Immerhin macht der Unterschied pro Jahr 96 Franken aus(4). Das entspricht etwa der Hälfte, was der durchschnittliche Haushalt im Jahr 2021 an Spendenorganisationen überwiesen hat. Auch die Nichte oder der Enkel würde sich über diesen jährlichen Zustupf freuen.
Wohl wenige werden sich bewegen, denn in den Köpfen der meisten Menschen ist ein Wechsel der Bank mit unangenehmen Anstrengungen verbunden. Karten sind in Apps hinterlegt, Daueraufträge sind eingerichtet, die Einrichtung von E-Banking und Mobile Banking App war mühsam. So etwas wiederholt man nicht ohne Not; die dadurch in Kauf genommenen Kosten werden ignoriert.
Die Gratis!-Angebote sind Leistungskommunikation
Die Banken sind nicht blauäugig. Sie werden nicht erwarten, mit einem Gratis-Konto und Gratis-Debitkarte grosse Sprünge zu machen. Die Gratis!-Angebote sind vielmehr zu Kommunikationsvehikeln geworden, die mit Kosten (sprich: erheblichen Ausfällen bei den Kommissionserträgen) verbunden sind. Es sind nicht die Neobanken, welche die Platzhirsche auf die Gratis!-Schiene gebracht haben, sondern die Zinswende. Diese schenkte den Banken auf der Passivseite der Bilanz wieder schöne Margen und Gewinne, die von der Öffentlichkeit argwöhnisch zur Kenntnis genommen werden. Diese Argwohn und die Sorge um die Reputation treiben die Banken zu den Gratis!-Angeboten. Gerade im für viele Kunden komplizierten Bankgeschäft eignet sich Gratis! hervorragend zur Profilierung und zur Leistungskommunikation. Tue Gutes, und sprich darüber!
Erstaunlicherweise wird es Banken geben, welche beim Basisangebot die Gebühren beibehalten, einfach zu einem tieferen Preis. Mit den Erkenntnissen aus der eingangs erwähnten Studie der HSLU macht ein solches Vorgehen wenig Sinn. Kunden werden die Reduktion vergessen, weil sie schlichtweg nicht die nachhaltige Magie von Gratis! hat.
Die Gewinner und Verlierer
Die wahren Verlierer sind die Neobanken, denen ein Kernelement ihrer Differenzierung abhanden kommt. Die Gewinner hingegen sind jene Menschen, die sich eine halbe Stunde Zeit nehmen für eine digitale Kontoeröffnung und nochmals eine Stunde für die genannten Transferhandlungen, und dafür bis zu hundert Franken pro Jahr mehr zur Verfügung haben. Die meisten aber werden einfach warten, bis ihre Bank den Schritt zum Gratiskonto/-karte ebenfalls wagt (und sich in der Zwischenzeit vielleicht beklagen).
Kein Wunder, ist die Wettbewerbssituation unter den Banken so, wie sie ist: nicht besonders dynamisch. Banken sind rationaler als ihre Kunden.
Dieser Blog ist gänzlich ohne Unterstützung von künstlicher Intelligenz entstanden. Der Autor freut sich über Reaktionen.
(1) IFZ Retail Banking Studie: Bankkundschaft kennt eigene Zinsen kaum (Nov. 2023)
(2) Dan Ariely, Professor für Verhaltensökonomie am MIT: "Predictably Irrational" (2008)
(3) Unterschiede von Transaktionsgebühren aussen vor gelassen (z.B. Wechselkurse)
(4) Das Paket Pure von UBS kostet CHF 8 pro Monat
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