Kryptos: von der Spekulation zur Anlageklasse?
- David J. Strebel
- 2. Feb. 2022
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Okt. 2022

Bitcoin & Co. haben eine regelrechte Achterbahnfahrt hinter sich. War der Preis eines Bitcoins im letzten Herbst noch über CHF 60'000, verlor er seitdem fast die Hälfte. Natürlich ist der Bitcoin insgesamt bis heute eine Erfolgsgeschichte, aber es ist nicht das erste Mal, dass einem Höhenflug eine harte Landung folgt. Die extremen Anstiege in 2017 und 2021 waren zweifellos durch FOMO getriebene Spekulationsblasen. Interessant deshalb, wie sich letztes Jahr vereinzelt auch institutionelle Anleger in die Reihe von Kryptoanlegern zu mischen begannen. Stehen Bitcoin & Co. davor, eine ernst zu nehmende Anlageklasse zu werden, mit der sich Anleger im Interesse Ihrer Ziele auseinandersetzen sollten? Gehören Kryptowährungen in eine strategische Vermögensverteilung?
Die Privat- und Auslandbanken in der Schweiz scheinen genau dies zu erwarten, wenn man dem jüngsten Bankenbarometer 2022 von EY Glauben schenkt. Das finde ich erstaunlich – weil bei einer Privatbank doch Sicherheit und das Erreichen der Vermögensziele ihrer Kunden im Zentrum stehen. Das wahre und relevante Risiko für einen Anleger ist, seine Ziele zu verfehlen. Welchen Beitrag Kryptos hier leisten können, ist unklar.
Eine traditionelle Anlageklasse vereinigt (1) die gemeinsamen Eigenschaften einer Gruppe von Vermögensanlagen, ist (2) liquid und hat (3) einen intrinsischen Wert. Die typischen Vertreter traditioneller Anlageklassen sind börsengehandelte Aktien, Obligationen und Geldmarktanlagen. Persönlich würde ich anfügen, dass beim systematischen Halten dieser Anlageklassen zu erwarten ist, dass sie laufend oder über die Zeit reale Renditen abwerfen (auch wenn derzeit viele Staatsobligationen diese Eigenschaft verloren haben). Mit anderen Worten: eine klassische Anlageklasse kreiert Wert, weil sie an wirtschaftliche Handlungen gebunden ist (Kapital für gewinnorientierte Unternehmen, deren Geber dafür entschädigt werden) und die Preisbildung erfolgt kontinuierlich. Alternative Anlageklassen weichen im einen oder anderen Kriterium ab: Immobilien, Private Equity, Infrastruktur, Distressed, etc. sind nicht liquid. Gold hat keinen intrinsischen Wert. Hedge Funds sind i.d.R. nicht liquid und deren intrinsischer Wert je nach Leverage oder Strategie unklar. Beliebt sind Alternative Anlagen aufgrund ihrer vermeintlichen Diversifikationseigenschaften, auf die – wie die Geschichte lehrt – allerdings oft nicht Verlass ist in jenen Momenten, wo man sie besonders bräuchte (z.B. bei Marktturbulenzen).
Kryptowährungen sind zwar liquide, aber extrem volatil. Für die raren Tradingtalente sind sie ein Segen. Für alle anderen stellt sich die Frage, ob Bitcoin & Co. als alternative Assetklasse einen strategischen Sinn ergeben. Das hängt davon ab, welche Ziele ein Anleger erreichen will.
Hier soll nicht die Rede sein von Asset Tokens, die einen Anspruch auf ein zugrundeliegendes Asset darstellen. Wenn das Asset einen Wert hat, dann hat es der zugehörige Token auch. Kryptowährungen sind eigentlich Zahlungstoken. Fakt ist, dass Bitcoin als führende Kryptowährung nicht viel mehr zu bieten hat als Sicherheit, breite Akzeptanz und natürliche Knappheit (über 80% aller BTC sind schon geschaffen). Als Zahlungsmittel ist er nicht wirklich tauglich. Kein Wunder gilt Bitcoin als das digitale Gold. Auch Gold hat kaum einen inneren Wert und ist als Zahlungsmittel unpraktisch; aber es wird mindestens seit vielen Jahrhunderten wertgeschätzt und hat unzählige Kriege, Krisen und Katastrophen überdauert. Diese Standfestigkeit ist beim Bitcoin unsicher – dafür lässt er sich wunderbar teilen (1/100Mio BTC = 1 Satoshi) und transferieren.
Viele andere Kryptowährungen sind hingegen eher ein Nebenprodukt einer Blockchain, damit Leistungen von Smart Contracts beispielsweise abgerechnet werden können. Hier gilt meines Erachtens: eine Blockchain hat aufgrund ihrer Funktion und Nutzen (hoffentlich) einen intrinsischen Wert, die zugehörige Kryptowährung hingegen nicht (sie ist funktionaler Teil der Blockchain).
In meinen Augen ist der Bitcoin-Preis ein Spiegel der (Finanz-)welt: die ultratiefen Zinsen halten die Carrykosten gering und relativ tiefe Energiepreise stützten lange das Schürfen durch die Miner. Die jüngste Energieknappheit und politischer Druck brachte eine Zäsur, erst in China, dann in Kasachstan. Aber wahrscheinlich stehen wir durch die Dekarbonisierung der weltweiten Energiewirtschaft ohnehin schon mitten in der Energiepreiswende. Die Regulation könnte sowohl das Mining als auch die Übertragbarkeit von Bitcoin weiter erschweren. Nicht zuletzt scheint auch bei der Zinsentwicklung eine Umkehr eingesetzt zu haben. Läuft die Inflation nicht gänzlich aus dem Ruder und wird sie in die Zinskurven der verschiedenen Fiat-Währungen adäquat eingepreist, werden Bitcoin & Co. als Anlageklasse einen schweren Stand haben.
Ein relevantes und disziplinierendes Element von Goal Based Investing ist, dass für jede verwendete Anlageklasse die erwarteten Renditen und Risikoeigenschaften formuliert bzw. quantifiziert werden müssen. Sie sind für die Evaluation der geeigneten Strategie und die Messung der Zielerreichungswahrscheinlichkeit unabdingbare Voraussetzungen. Das ist ein Problem: Die historischen Renditen der Kryptos sind offensichtlich wenig geeignet, als Richtschnur für die Zukunft zu dienen (BTC/CHF +85% p.a.(!) in den letzten 10 Jahren). Auch die Bewertungsmeinungen für Bitcoin reichen von Null bis auf ein Mehrfaches des heutigen Preises. Ein weiterer, jedoch unvermeidlicher Makel ist der fehlende der Beweis der Beständigkeit.
Zusammenfassend hier dennoch eine Übersicht, wie Bitcoin & Co. als ergänzende Anlageklasse im Rahmen der Zielbasierten Vermögensanlage (Goal Based Wealth Management) eingesetzt werden könnten. Wegen der enormen Schätzunsicherheit bzgl. Rendite/Risiko sind grundsätzlich nur minimale Quoten vorzusehen.

Mein Fazit: Weil ich Bitcoin als Spekulationsobjekt betrachte, halte ich sie gänzlich ausserhalb der GBI-Strategien, sozusagen als Call-Option in einem Side Pocket. Asset Tokens hingegen werden in der Zukunft wohl einen Teil der heutigen Wertpapiere substituieren und sich auch in Zielbasierten Anlageportfolios etablieren.
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